Kritik zu Fräulein Else


Ohne Zweifel ist Fräulein Else von Arthur Schnitzler ein Werk der deutschen Literatur, das als eines der prestigeträchtigsten angesehen werden kann. Für die damalige Zeit, das Wien nach dem Ersten Weltkrieg, ist es zudem sehr provokativ und zu dieser Zeit wurde es als «Meisterwerk»[1], aber auch als «irgendwie anstössig»[2] beschrieben, was die Geschichte über die junge Frau Else recht gut zusammenfasst. Diese handelt um die neunzehnjährige Else, die vor ein moralisches Dilemma mit sexuellem Hintergrund gestellt wird und wie dies ihre Psyche beeinträchtigt.

Auf Werkebene ist diese Geschichte meiner Meinung nach nicht gut gealtert. Else wird als verwöhntes und stereotypisch reiches Mädchen dargestellt, welches als Mittel zum Zweck von Ihrem Vater benutzt und von Dorsday sexuell ausgenutzt und erpresst wird. Auch, dass sie unter diesem Druck schlussendlich psychisch zusammenbricht, entspricht alles andere als dem modernen Frauenbild. Auf der anderen Seite jedoch, kritisiert das Werk damit auf seine Weise auch die Rolle der Frau in dieser Zeit und das Patriarchat, welche Else schlussendlich dazu brachten, psychisch so zu kollabieren. Dennoch würde ich die Art, wie Else dargestellt wird, als schwaches Geschöpf welches schlussendlich durchdreht, stark kritisieren. Was den reinen ästhetischen Wert betrifft, so ist das Werk sehr schön und ansprechend gestaltet. Als Leser kann man sich gut in die Zeit, in der das Buch spielt, zurückversetzen und die Sprache passt gut zu den Umständen der Geschichte. Die inneren Monologe, welche einen grossen Teil der Geschichte ausmachen, sind ausserdem sehr gut platziert und sie ermöglichen dem Leser, ausführlich nachvollziehen zu können, was in Else vorgeht. Was die inneren Monologe betrifft, so sind sie auf Werkebene hervorragend und sind Teil des Grundes, weshalb das Werk so angesehen ist, auf Leserebene jedoch muss ich leider Kritik aussprechen. Obwohl sie einen tiefen Einblick in Elses Gedanken ermöglichen, verliert die Geschichte dadurch bedauerlicherweise etwas an Spannung und man wird als Leser nicht wirklich in den Bann gezogen. Dennoch sind es eben diese inneren Monologe, die das Werk ausmachen und dem Leser ermöglichen, Else wahrhaftig verstehen zu können. Sie sind also das, was die Geschichte ausmacht, meiner Meinung nach könnten sie jedoch etwas kürzer und bündiger sein. Emotional wiederum spricht das Werk den Leser sehr gut an, auch aufgrund der erwähnten inneren Emotionen, sodass man sehr mit der Hauptfigur Else mitfiebert und so beispielsweise regelrechten Zorn auf Dorsday entwickelt.

Abschliessend würde ich die Lektüre auf jeden Fall weiterempfehlen, schon nur aufgrund der Prestigeträchtigkeit, die Arthur Schnitzler und sein Werk in der deutschen Literatur geniessen. Aber auch ausserhalb davon empfinde ich die Geschichte als sehr gelungen und auch wenn man, trotz der Kürze, doch etwas Durchhaltevermögen an den Tag legen muss, besonders während der inneren Monologe, ist die Lektüre sehr bereichernd und gegebenenfalls herausfordernd.

 

[1] W.P., «Arthur Schnitzler, Fräulein Else», in: Der Kreis 2 (1925) H.3, S.50

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